Betrug by Smith Zadie

Betrug by Smith Zadie

Autor:Smith, Zadie [Smith, Zadie]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch eBook
veröffentlicht: 2023-11-02T00:00:00+00:00


9

Bogle Glauben schenken

Nach Weihnachten sprach William ein Machtwort. Der Prozess sei bereits seit einem halben Jahr im Gange, es zeichne sich nicht ab, dass er bald enden werde, und man könne schließlich kaum von ihm erwarten, dass er bis in alle Ewigkeit wöchentliche Zugreisen zahle. Falls die Ladys von Little Rockley also den Wunsch hegten, Mr. Bogle und Konsorten häufiger als einmal im Quartal zu sehen, so dürften sie das gerne tun, müssten das Geld dafür jedoch selbst aufbringen oder andernfalls zu Fuß gehen. Zweihundert Pfund im Jahr, raunte der Teufel Mrs. Touchet ins Ohr.

So kam es, dass sie im Januar nur zweimal dort sein konnten und bei beiden Gelegenheiten Teile von Coleridges Plädoyer im Namen des Beklagten zu hören bekamen, das allein den ganzen Monat beanspruchte. Sie empfanden seine Ausführungen als langatmig und umständlich. Eliza vertrieb sich die Zeit damit, Gespräche zu belauschen, und stieß dabei auf ein weit verbreitetes Paradoxon im allgemeinen Empfinden: Man konnte durchaus »wissen«, dass Sir Roger ein Betrüger war, und gleichzeitig Bogle »Glauben schenken«. Tatsächlich fand sich allerorts Bewunderung für Bogle, ganz gleich, auf wessen Seite jemand stand. Er sei von »großzügigem« und »loyalem« Geist, äußere sich »klar« – ganz im Gegensatz zu den Anwälten – und komme »nie ins Wanken«. Mr. Bogle war das ruhige Auge im Zentrum dieses Sturms aus Aberwitz. Womöglich gewann er auch im Vergleich zu den anderen Zeugen, die die Neigung hatten, sich im Zeugenstand um Kopf und Kragen zu reden, aus der Luft gegriffene Geschichten zu erzählen, die schließlich nicht einmal sie selbst mehr von der Wahrheit unterscheiden konnten. Die Vergangenheit wurde am Beispiel der Gegenwart umgestaltet. Die Gegenwart mit Blick auf die Zukunft – und den eigenen Vorteil – frisiert. Bogles Geschichte hingegen veränderte sich nie. Ebendiese Beharrlichkeit, diese Loyalität hatten den armen Mann sein jährliches Gnadengeld gekostet, und dieser Umstand blieb unumstößlich, was immer sonst noch behauptet werden mochte. Er hätte sich ja bloß den Tichbornes in der Einschätzung anschließen müssen, dass »Sir Roger« ein Betrüger sei, schon wäre ihm die Zuwendung wieder gezahlt worden. Stattdessen blieb er standhaft. Einfach so ein festes jährliches Einkommen zu nehmen und es gegen den unsicheren Lohn der Wahrheit einzutauschen! Nach Ansicht der Schneckenesser auf den billigen Plätzen konnte es kein größeres Opfer und keine noblere Geste geben, nirgends auf Gottes weiter Welt.



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